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                                    Bruno Maria Bradts Zeichnungen erz%u00e4hlen von Menschen. Ihn interessieren nichtglatte, faltenfreie, perfekte Z%u00fcge, sondern die Spuren, die das Leben hinterl%u00e4sst.Lebendige Gesichter, die etwas davon spiegeln, was unser Leben ausmacht.Geschichten von Gl%u00fcck und Entt%u00e4uschung, von Schmerz, Leid, Trauer und Tod. Inder Arbeit %u201eZw%u00f6lf%u201d begegnet man Protagonisten, die f%u00fcr diese Erfahrungen stehen.Der K%u00fcnstler n%u00e4hert sich den Portr%u00e4tierten offen und ohne Vorbehalt. Er nimmt sieso an, wie sie sind und versucht nichts zu besch%u00f6nigen. Es gelingt ihm, die Menschenin ihrer W%u00fcrde zu zeigen. Darin liegt die tiefgehende Sch%u00f6nheit seiner Arbeiten.Hinter den %u201eGezeichneten%u201d in seiner Arbeit %u201eZw%u00f6lf%u201d verbergen sich unterschiedlicheSchicksale. Schicksale, von denen der K%u00fcnstler bei seinen Besuchen in derBahnhofsmission oder bei der Heilsarmee in Gespr%u00e4chen mit den Portr%u00e4tiertenerfahren hat. Es geht um Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit, Trennung, Sucht, Armutund Obdachlosigkeit. Wir alle sind Teil einer Gesellschaft, in der Jugend, Sch%u00f6nheitund Erfolg zu den erstrebenswerten Eigenschaften geh%u00f6ren. Im Zusammenlebenmiteinander auszukommen ist oft schwer. Diese Schwierigkeiten sind f%u00fcr einigeun%u00fcberwindlich. T%u00e4gliche Herausforderungen und Konflikte sind belastend. Manchenvon uns gelingt es nicht, einen gesellschaftlich anerkannten Weg einzuschlagenoder auf diesem Weg zu bleiben.Gerade diesen Menschen hat sich der K%u00fcnstler in seiner Arbeit gen%u00e4hert. Es gehtihm darum, seinem Gegen%u00fcber bewusst ins Gesicht zu sehen und den Menschenwahrzunehmen. Sich zu fragen, wie halte ich es selbst mit den Ausgesto%u00dfenen, denKranken, den Behinderten, den Abh%u00e4ngigen und all jenen, die nicht spontanSympathie ausl%u00f6sen? Schau ich weg, wenn Menschen, die arm oder obdachlos sind,meinen Weg kreuzen? Er selber sieht vor allem Hoffnung in der Begegnung mitanderen Menschen. Wenn Gott Mensch geworden ist, kannst du in jedem MenschenGott begegnen. Ein Mensch, bewusst wahrgenommen von einem anderen, erf%u00e4hrtdadurch Wertsch%u00e4tzung und Respekt. Dieses zentrale Anliegen des K%u00fcnstlersspiegelt sich in seinen Bildern. Denn wenn auch die Falten und Spuren eines gelebtenLebens deutlich zu erkennen sind, werden die Menschen niemals blo%u00dfgestellt. Siealle w%u00fcrdigt der K%u00fcnstler in seiner Darstellung. So wie er sie sieht und zeichnet,strahlen sie diese W%u00fcrde aus %u2013 sichtbar f%u00fcr uns alle.Den anderen Menschen nicht mit dem Blick eines kritischen Richters zu sehen, derandere be- oder gar verurteilt, sondern mit dem Herzen, das ist die Kunst. Mit Liebebetrachten und annehmen, darum geht es. In diesen Bildern offenbart sich eineverborgene Sch%u00f6nheit. Unausgesprochen geschieht beim Betrachten etwas. Durchdas Betrachten und Wahrnehmen steht der Portr%u00e4tierte im Licht derAufmerksamkeit. Ein stummer Dialog findet statt: Ich nehme dich wahr in deinemSosein. Du darfst sein, wie du bist. Ich sehe dich, du interessierst mich, du bist wertvollmit deinen Licht- und Schattenseiten.Der Bilderzyklus zeigt zw%u00f6lf ausgew%u00e4hlte Frauen und M%u00e4nner und f%u00e4ngt sie ein inder Bewegung mitten im Leben. Menschen, die der Aufmerksamkeit sonst vielleichtentgehen w%u00fcrden. Sich selbst hat der K%u00fcnstler als Dreizehnten hinzugef%u00fcgt.Susanne Leutsch
                                
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